Statt Sachthemen anzugehen und an Lösungen der wiederkehrend von der Ärzt:innenschaft berichtete Strukturproblemen der Gesundheitsversorgung zu arbeiten, greift unser Gesundheitsminister in die unterste Schublade: mit plumpen Parolen wird mit Fokus auf paradiesische Honorare der Niedergelassenen eine Neiddebatte unter Patient:innen provoziert.
Zu den genannten „Fakten“ kann ich hingegen als Arzt in einer Gemeinschaftspraxis von einem „durchschnittlichen Reinertrag von €336.000“ nur träumen (und fände diesen auch mächtig überzogen). Vermutlich wurden hier tatsächlich, wie im Text erwähnt, durchschnittliche PRAXIS-Einnahmen als Basis verwendet – wir sind eine Praxis mit 3 Fachärzt:innen, womit unsere Praxis-Reinerträge damit natürlich über dem Durchschnitt lägen, allerdings müssen die tätigen Ärzt:innen die Erträge noch unter sich aufteilen!
Unser Hauptproblem liegen unverändert im Missverhältnis zwischen reduziertem Angebot stetig steigender Nachfrage ärztlicher Leistung für die einzelnen Niedergelassenen begründet. Die stetige Betonung einer 24/7-Verfügbarkeit auch wegen Banalitäten und Schaffung neuer Bedürfnisse, für die es keinen medizinischen Nutzen gibt, befeuert dies nur noch.
Schon regulären Bedarfe können durch die bestehende Personaldecke kaum befriedigt werden. Nachdem aber Personalkosten den Löwenanteil der Ausgaben in einer Arztpraxis darstellen, hängen Forderungen nach einer Verbesserung struktureller Bedingungen selbstverständlich immer an der Honorarkomponente!
Politik und Patient:innen müssen realisieren, dass Arztpraxen nicht wie freie Unternehmen durch Preisaufschläge auf der Einnahmeseite agieren können, um Mehrausgaben zu kompensieren.
Wie ernst es der Politik mit der Thematik ist lässt der Umgang mit der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erahnen: die für alle Ärzt:innen verpflichtende Grundlage der privaten Abrechnung ärztlicher Leistungen und zugrundegelegten Beträge stammt aus dem Jahr 1996 (lediglich im Rahmen der Euro-Einführung erfolgte eine einfache Umrechnung). Jahr für Jahr verschleppt das BGM nun seit einem Jahrzehnt die Etablierung einer neuen Gebührenordnung – im Ergebnis sind dürfen wir bei einem qualifizierten Hausbesuch unserer MFA bei einem Pflegebedürftigen ganze €5,83 abrechnen, und das unabhängig davon, ob z.B. noch eine Anfahrt von 5km nötig ist. Natürliche werden solche Besuche bei Notwendigkeit dennoch durchgeführt – gerade vor diesem Hintergrund erscheinen die “Bereicherungsvorwürfe” unseres Gesundheitsministers als blanker Affront!
Insgesamt hängt die Finanzierungslage indirekt mit der Güte der Versorgung zusammen: schon heute ist es eine Überzeugungsarbeit ohne Gleichen, junge Kolleg:innen in die Niederlassung zu bringen – schlicht weil die Übernahme der Personal- und Finanzverantwortung zugunsten einer besseren Work-Life-Balance gescheut wird.