Nach wir vor ist die Diskussion in der Öffentlichkeit angeheizt, wenn es um die Impfungen gegen das Coronavirus von Kindern ab 12 Jahren geht. Stets werden gesundheitliche Schäden und Beeinträchtigungen durch das Virus als Argument für eine zeitnahe Durchimpfung der Schüler:innen zu Schilde geführt. Auch zahlreiche Ärzt:innen preschen mit groß angelegten Impfangeboten für den Nachwuchs vor – und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Rate vollständig Geimpfter in Baden-Württemberg noch deutlich unter der 50%-Marke steht.
Als führendes individualmedizinisches Argument (also als Nutzenbeleg für eine Impfung der Kinder und Jugendlichen) nimmt “Long-Covid” eine zentrale Stellung ein und dominiert die Berichterstattung und Timelines in den herkömmlichen wie in den sozialen Medien. Bis vor kurzem mangelte es hier an klaren Studiendaten, stellten doch alle Veröffentlichungen eher selektive Betrachtungen von Kleinkollektiven und ohne klinische Kontrollgruppe dar.
In der Schweiz wurde hingegen eine u.a. durch das Schweizer Gesundheitsministerium finanzierte Studie aufgelegt, bei der auf die randomisierte (zufällige) Auswahl einer breiten Gruppe von insgesamt 1.355 Kindern und Jugendlichen geachtet wurde, die getestet und dann über 6 Monaten mittels standardisierter Abfragen nachbeobachtet wurden. Die Ergebnisse wurden bereits im Mai als Preprint veröffentlicht, die Publikation im renommierten JAMA steht unmittelbar bevor. Erstmals bekommt man hier eine klare Aussage zur Häufigkeit von Long-Covid-Symptomen bei SARS-Cov2-positiven im Vergleich mit einer Kontrollgruppe aus SARS-CoV2-negativen Kindern.
Im Ergebnis verpufft dann so manches Argument für die rasche Durchimpfung der Kinder:
- bei den seropositiven Kindern litten 9,2% länger als 4 Wochen nach Testung unter mind. einem Symptom (9,7% bei der seronegativen Vergleichsgruppe)
- bei den seropositiven Kinden litten 3,7% länger als 12 Wochen nach Testung unter mind. einem Symptom (2,8% bei der seronegativen Vergleichsgruppe – statistisch nicht signifikant)
- Long-Covid-Symptome länger als 12 Wochen nach nachgewiesener Infektion treten bei Kindern insgesamt selten auf (bei 4 von 109 Studienkindern)
Die eher beruhigende Gesamtaussage für die Betrachtung der Schulkindern ist, dass Long-Covid-Symptome bei seropositiven wie bei seronegativen Kindern genauso häufig auftreten!
Möglicherweise ist hier weniger die schiere Infektion mit SARS-CoV2 für die Symptomlast verantwortlich, als dass die massiven psychosozialen Einflüsse durch die Pandemiemaßnahmen (Lockdown, Homeschooling, fehlende soziale Kontakte, innerfamiliäre Spannungen durch enge Wohnverhältnisse, etc.) ihre Spuren bei den Schüler:innen hinterlassen haben könnte. Passend zu dieser Hypothese erscheint auch das Spektrum der häufigeren Long-Covid-Symptome. So dominieren z.B. Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen oder Kopfschmerzen, die häufig geäußert wurden, auch zu Symptomen, auch bei psychosomatischen Erkrankungen.
Quelle: Radtke T et al: Long-term symptoms after SARS-CoV-2 infection in school children: population-based cohort with 6-months follow-up.Preprint. Doi: 10.1101/2021.05.16.21257255 (JAMA-Publikation steht an!)